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Foto: M. Hammerer

Wettbewerb oder nicht? Das ist hier die Frage!

Ein Erfahrungsbericht

Unser Frauenensemble „vocal orange“ wurde 2011 gegründet. Seither widmen wir uns selten gehörter und anspruchsvoller a cappella Literatur – vor allem aus dem Baltikum, da unser Dirigent Arunas Peciulis aus Litauen stammt und von dort immer ganz wunderbare Frauen-Arrangements mitbringt.

 

Natürlich geben wir regelmäßig Konzerte und sind auch bei Salzburger Chor-Fixterminen wie zum Beispiel der Langen Nacht der Chöre oder dem weihnachtlichen Singen vor dem Dom immer mit dabei. Auch haben uns bereits zwei Chorreisen nach Litauen geführt, wo wir 2018 sogar als einer von zwei nicht-litauischen Chören beim großen Sängerfest teilnehmen durften. 

 

Aber die Teilnahme bei einem Wettbewerb? Die haben wir zwar wieder und wieder diskutiert, aber die Vorbehalte waren groß: Singen soll Spaß machen und nicht in einem Wettkampf ausarten; steht der Vorbereitungs-Aufwand in Relation zum Nutzen und was ist der Nutzen überhaupt? Können wir es uns als kleines Ensemble kostenmäßig leisten – und vor allem: Wie sollen wir vielbeschäftigte Frauen (und Mütter) es zeitlich unter einen Hut bringen? 

 

Doch dann lesen wir im letzten Winter die Ankündigung: Von 19. bis 24. Juni 2019 findet in Salzburg ein internationaler Chorwettbewerb statt! Direkt vor der Haustür, an einem langen Wochenende, wo die meisten von uns sowieso frei haben! Das bringt frischen Wind in die Diskussion: Wäre es nicht doch toll, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten? Objektives Feedback von außen zu bekommen und ein Gefühl dafür, wie wir im Vergleich mit anderen Frauenchören dastehen? Wann, wenn nicht jetzt?

 

Und so entschließen wir uns kurzerhand, das für uns sängerische Neuland zu betreten und uns für den Wettbewerb in zwei Kategorien anzumelden: „Frauenchöre“ und „Musica Sacra“. Bereits die Auswahl der Lieder ist eine Herausforderung, da die Vorgaben zu Epochen und Stil sehr eng sind.

Doch rechtzeitig zum Bewerbungsschluss schicken wir die Liste unserer acht Lieder ab – und haben auch zwei weitere in petto, falls wir uns beim Wettbewerb für den Großen Preis qualifizieren.

 

Dann beginnt die eigentliche Arbeit: proben, proben, proben! Noch dazu, da unser Dirigent die Vorgabe gibt, alles auswendig zu singen. Das hatten wir bis dahin erfolgreich vermieden mit Argumenten wie: „Unser Repertoire ist ja so anspruchsvoll und die litauischen Texte so schwer zu merken...!“

Doch diesmal gibt es kein Pardon.

 

Die folgenden Wochen sind von intensiver Probenarbeit geprägt – und von Auswendiglernen. Wir feilen an Nuancen, Intonation, Ausdruck, Aussprache und Dynamik, schieben Zusatzproben ein und selbst im Schlaf verfolgt uns ein „O Salutaris“ oder „Adoramus te“... Kurz vor dem Wettbewerb noch ein kleiner Schock: Wir haben irrtümlich ein Lied einer falschen Epoche gemeldet! Werden wir disqualifiziert? Bekommen wir Punkteabzug?

Gott sei Dank lässt sich der Irrtum noch beheben und das Lied austauschen. Wir fragen uns weiters: Wird nur der musikalische Aspekt bewertet? Oder auch der Auf- und Abgang und die Aufstellung? Vieles bleibt ungewiss.

 

Dann naht der große Tag. Der Auftritt in der Kategorie „Frauenchöre“ ist am Freitag Abend im Großen Saal des Mozarteums. Ein befremdliches Gefühl, in einem fast leeren Saal zu singen, der normalerweise 800 Personen fasst. Auf dem Rang die Jury. Eine Ansage. Wir singen. Verbeugen uns. Singen die nächsten Stücke. Haben Herzklopfen. Keine Reaktion. Das Ganze ist in ungefähr zehn Minuten erledigt. Wir gehen ab. Am nächsten Morgen dasselbe in der Kategorie „Musica Sacra“. Und dann das Warten... und die Selbstzweifel... und die Gewissheit, jetzt sowieso nichts mehr ändern zu können. Wir erfahren, dass wir nicht für den Großen Preis nominiert sind. Unser Dirigent bekommt detaillierte Rückmeldung von den Juroren.

 

Am Abend dann das Abschlusskonzert mit der Prämierung... es wird spannend! Und der große Jubel: Wir sind in beiden Kategorien mit Gold bewertet! Und damit nicht genug – die Jury verleiht uns eine extra Auszeichnung in der Kategorie „Musica Sacra“ als „Bester Frauenchor“ des Wettbewerbs! Damit haben wir wahrlich nicht gerechnet. Die Anspannung fällt von uns ab und wir können uns über unsere Leistung freuen.

 

Was uns der Wettbewerb gebracht hat? So einiges! Erstens haben wir musikalisch enorm von den Proben profitiert und wertvolles Feedback von Profis bekommen. Und wir wissen jetzt, dass wir ohne weiteres auswendig singen können, wenn es darauf ankommt. Zweitens hat er uns als Gruppe gestärkt und uns ein gemeinsames Erfolgserlebnis beschert. Und drittens haben wir ganz unerwartet auch regionales Medienecho erhalten, wodurch wieder neue Interessentinnen zu uns gestoßen sind und wir vielleicht auch wieder neues Publikum für unsere Konzerte gewinnen können. 

 

Ob wir nächstes Jahr wieder Wettbewerbsluft schnuppern? Wir überlegen noch... alles ist möglich!

Fotocredits: Albert Moser Fotograf